Integrierte digitale Lösung für die Echtzeit-Steuerung erneuerbarer Energiesysteme

EU-Projekt »INTEREST: Integrated Digital Solution for a Sustainable and Reliable Management of International Renewable Energy Systems«

Im EU-Projekt »INTEREST« entwickelt ein internationales Konsortium aus Forschung, Energieversorgern und Energie-Systemdienstleistern eine digitale Plattform zur Echtzeit-Steuerung erneuerbarer Energiesysteme. Ziel ist es, Strom-, Wärme- und Wasserstoffnetze nachhaltig, sicher und effizient zu betreiben – auch unter dynamischen Bedingungen und internationaler Komplexität. Unsere Forschenden vom Fraunhofer ITWM bringen dabei besonders ihre Expertise in modellgestützter Regelung und digitaler Systemanalyse ein. 

Im Mittelpunkt des Projektes steht ein verteiltes »Echtzeit Multigrid Model Predictive Control« (MPC) Framework. Dieses Kernelement des Projektes nutzt Digitale Zwillinge, Maschinelles Lernen und Blockchain-Technologie, um das Netzverhalten besser zu verstehen und Energieflüsse vorausschauend, sicher und effizient zu steuern – sektorenübergreifend und international.

Was bedeutet das verteilte Model Predictive Control für die Energiebranche?

Das MPC verbindet präzise Prognosen zu erneuerbarer Energieerzeugung und Verbrauch mit intelligenten Analyseverfahren, um fundierte Entscheidungen im Energiemanagement zu unterstützen. In modernen Unternehmen und Energienetzen spielen IoT-Systeme dabei eine große Rolle. Das Internet der Dinge sammelt über Sensoren, Messgeräte und vernetzte Geräte in Energiesystemen kontinuierlich Daten von Anlagen (z. B. Temperatur, Druck, Energieverbräuche, Einspeisung). Algorithmen überwachen dabei den Zustand technischer Anlagen, steigern die Effizienz von Betrieb und Wartung und erkennen Veränderungen in den Netzen frühzeitig. Erneuerbare Energiequellen werden gezielt mit Speichern und flexibel steuerbaren Lasten kombiniert, um die Stabilität sektorübergreifender Energienetze – etwa für Strom, Wärme, Kälte und Wasserstoff – zu sichern.

Blockchain-Technologie für sichere Transaktionen im Energiemanagement

Blockchain-Technologie sorgt durch den Einsatz von Smart Contracts (intelligente Verträge) für transparente und vertrauenswürdige Transaktionen zwischen allen Beteiligten. Gleichzeitig erhöhen vernetzte IoT-Systeme die Zuverlässigkeit der Infrastruktur durch Echtzeitdaten aus dem laufenden Betrieb. Intuitive Visualisierungen stellen Informationen wie Energieflüsse, Verbrauchsprognosen, Wartungspläne und CO₂-Bilanzen übersichtlich dar. So entsteht eine digitale Gesamtstrategie, um eine nachhaltigere und effizientere Energielandschaft zu schaffen.

Unser Projekt-Konzept

Digitaler Zwilling für eine präzise Systemanalyse

Ein entscheidender erster Schritt besteht darin, einen Digitalen Zwilling aller Systemkomponenten zu erstellen. Dieses digitale Abbild:

  • simuliert das dynamische Verhalten des Gesamtsystems
  • prognostiziert die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien und den Energiebedarf
  • überwacht den technischen Zustand einzelner Anlagen
  • erkennt Veränderungen in der Netzstruktur, etwa nach Störungen

Das zugrunde liegende Konzept (siehe Abbildung) ist allgemein gehalten und lässt sich flexibel auf Strom- und Wärmenetze anwenden.

Verteiltes MPC-Framework in Echtzeit
© INTEREST
Verteiltes MPC-Framework in Echtzeit

Einsatz von Maschinellem Lernen zur Optimierung des Energiemanagements

Um die Modelle auch im laufenden Betrieb effizient einzusetzen, nutzen wir Methoden zur Modellordnungsreduktion sowie Maschinelles Lernen. So entstehen generische, online-fähige Modelle für das Netzverhalten ebenso wie für einzelne Komponenten wie Erzeuger, Leitungen oder Lasten. Diese Modelle bilden zugleich die Basis für die verteilte prädiktive Steuerung (MPC), ergänzt durch Prognosen zu erneuerbaren Energien und Verbrauchslasten.

Nach der Validierung des Digitalen Zwillings folgt im zweiten Schritt das Entwickeln des digitalen Kerns des Projektes: ein hierarchischer, verteilter, prädiktiver Modellregler (Hierarchical Distributed Model Predictive Controller HDMPC). Er ist mit entscheidenden Eigenschaften ausgestattet: Plug-and-Play-Fähigkeit für einfache Integration und Skalierbarkeit, Selbstheilung zur Reaktion auf Störungen sowie intelligentes Degradationsmanagement für eine nachhaltige Systemsteuerung.

Dies ermöglicht skalierbare digitale Lösungen, die bestehende und zukünftige Netzwerke einfach integrieren können. Das gesamte Energiesystem kann so als Netzwerk aus Energiezellen betrachtet werden, in dem die Verbindungen sowohl physische als auch digitale Bereiche umfassen.

Selbstheilende Systeme und Degradationsmanagement

Die Selbstheilungsfunktion ermöglicht es dem System, mögliche Fehler vorherzusehen, Änderungen in der physischen Topologie zu erkennen und dieses Wissen digital abzubilden. Ein selbstheilender Controller kann sein Vorhersagemodell so anpassen, dass es physische Ereignisse abbildet und sich an neue, unerwünschte Situationen anpasst, um einen zuverlässigen Betrieb des Energiesystems zu gewährleisten.

Predictive Maintenance: Effiziente Wartung durch intelligente Systemanalyse

Ein weiterer Baustein ist die vorausschauende Instandhaltung. Sie basiert auf Zustandsdaten und ergänzt diese um Informationen zum Alterungszustand (Degradation) einzelner Komponenten. Das System plant Wartungseinsätze nicht nur effizienter, sondern berücksichtigt gezielt die Lebensdauer der Anlagen. Damit führt »INTEREST« ein innovatives Konzept des Degradationsmanagements ein, das Betrieb und Wartung enger verzahnt und die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems erhöht. Die entwickelte Systemarchitektur lässt sich zudem auf Gasnetze übertragen und bietet so Potenzial für sektorübergreifende Anwendungen.

Ziele des Projekts: Intelligente Steuerung für sichere und nachhaltige Energiesysteme

Wir verfolgen im Projekt gemeinsam das Ziel, ein verteiltes, echtzeitfähiges Steuerungssystem für Energiesysteme mit erneuerbaren Quellen zu entwickeln und in der Praxis zu demonstrieren. Im Mittelpunkt steht das MPC-Framework, das eine intelligente Steuerung und Überwachung ermöglicht.

Um dies zu erreichen, hat das Projekt sechs spezifische Entwicklungsziele:

  • Aufbau eines verteilten Echtzeit-MPC-Systems zur intelligenten Steuerung erneuerbarer Energiesysteme
  • Integration von Fehlererkennung und Predictive Maintenance zur Stabilisierung des Netzbetriebs und zum Vermeiden ungeplanter Ausfälle
  • Entwicklung prädiktiver Steuerstrategien für ein stabiles, zuverlässiges Management sektorübergreifender Netze
  • Verbesserung der Sektorkopplung durch gleichzeitiges Einbinden von Strom, Wärme/Kälte und Wasserstoff, um Effizienz und Flexibilität zu steigern
  • Schaffung eines offenen, herstellerneutralen Daten- und Kommunikationsrahmens für skalierbare, interoperable Energiesysteme
  • Förderung der internationalen Anwendung der Lösungen – als Unterstützung für politische Entscheidungsprozesse und Nutzungsgruppen in der EU und weltweit

Unsere technologischen Schwerpunkte im Überblick

  • Digitale Zwillinge: Erstellung dynamischer Modelle von Systemkomponenten zur Vorhersage von Energiebedarf und -erzeugung
  • Maschinelles Lernen: Einsatz von Algorithmen zur Mustererkennung und Prognose
  • Blockchain-Technologie: Sichere und transparente Transaktionen zwischen Beteiligten
  • IoT-Systeme (Internet of Things): Zuverlässige Zustandsdaten durch vernetzte Sensorik – IoT-Systeme sind vernetzte Geräte und Sensoren, die in Echtzeit Daten über Energieverbrauch, Netzbelastung oder Anlagenausfälle liefern – und damit die Grundlage für eine intelligente Steuerung des Energiesystems schaffen
  • Visualisierungstools: Darstellung von Lastprognosen, CO₂-Bilanzen und Wartungsplanung

So entsteht eine Plattform, die nicht nur technische Exzellenz vereint, sondern auch den Wandel hin zu vernetzten, dezentralen und nachhaltigen Energiesystemen beschleunigt.

Unsere Rolle als Fraunhofer ITWM: Entwickeln eines Digitalen Zwillings zur Optimierung von Energiesystemen

Wir vom Fraunhofer ITWM bringen unsere Expertise in der Steuerung und Überwachung von Energiesystemen ein, um einen Digitalen Zwilling für fortschrittliche Steuerungslösungen zu entwickeln.

Hierbei liefern wir Modelle für Stromnetzkomponenten, die das Fundament für den Digitalen Zwilling bilden. Zudem erweitern wir diesen Zwilling durch Mechanismen, die sowohl Fehlererkennung als auch Zustandsprognose ermöglichen. Der Digitale Zwilling unterstützt die Entwicklung eines flexiblen MPC-Rahmens und führt so zu selbstheilenden Kontrollstrategien, die die Zuverlässigkeit und Effizienz von Energiesystemen deutlich verbessern.

Unsere Projektpartner

Das Projekt vereint ein internationales Konsortium aus Forschung, Industrie und Energieversorgern:

  • SINTEF, Koordinator
  • Es geht!
  • Fraunhofer Chalmers 
  • OFFSET Energie 
  • SWW Wunsiedel GmbH 
  • Universidad de Sevilla 
  • Universidade Federal de Santa Catarina 
  • Technische Universität Sydney

Projektförderung und -laufzeit

Die Europäischen Union finanziert und fördert das Projekt mit Mitteln aus dem Programm »Horizont Europa – Forschung und Innovation« unter der GA-Nr. 101160594. Das Projekt ist im September 2024 gestartet und läuft bis August 2027.

 

Karte der Projektpartnerländer
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